Robert Mohr über richtungsweisende Entwicklungen im deutschen Rugbysport
Nach der deutlichen Testspielniederlage der deutschen Rugby-Nationalmannschaft gegen La Rochelle Anfang Oktober, steht für das Team von Nationaltrainer Kobus Potgieter Mitte November bereits die nächste große Aufgabe an. Nach der Länderspielreise nach Namibia vergangenes Jahr, zieht es die DRV XV dieses Mal nach Brasilien, wo sie in zwei Weltranglistenspielen auf die aufstrebende brasilianische Nationalmannschaft treffen werden. Robert Mohr, Ex-Nationalspieler und Manager der Wild Rugby Academy, gibt im heutigen Interview genauere Einblicke in die anstehende Tour und die weitere Vorbereitung des Nationalmannschaftskaders.
WRA: Brasilien ist nun nicht gerade als rugbyverrücktes Land bekannt – warum zieht es die DRV XV dann für 10 Tage nach Südamerika?
Mohr: Nach Analyse der Hinrunde in der Rugby Europe Championship sind wir zu dem Schluss gekommen, dass uns vor allem Tiefe im Kader und Matches auf hohem Niveau gefehlt haben, um unsere Konkurrenten nicht nur unter Druck zu setzen, sondern auch zu schlagen. Das Spiel gegen La Rochelle, der Europapokal und die Brasilientour sind demnach wichtige Bausteine in unserer Vorbereitung auf die anstehende Rückrunde der REC.
Aufgrund der Olympischen Spiele im kommenden Jahr und der damit einhergehenden besseren Förderung des Rugbys in Brasilien, hat sich auch die brasilianische 15er Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren weiterentwickelt, was der Sieg über Chile letztes Jahr deutlich gezeigt hat. Abgesehen vom rein technischen, wird es eine wichtige Erfahrung für unser Team sein sich gegen kampfstarke Brasilianer in Stadien mit emotionalen, südamerikanischen Fans durchzusetzen, die sich sicherlich ein anderes Ergebnis wünschen als bei der Fussball-WM.
Was erwartet die DRV XV Ende November in Brasilien?
In Brasilien sind insgesamt zwei offizielle Länderspiele gegen Brasilien geplant, die als Weltranglistenspiele für uns von sehr großer Bedeutung sind. Das erste Spiel findet am 29.11 in Blumenau statt, für das zweite Kräftemessen am 5.12 reisen wir dann nach Sao Paulo. Natürlich werden wir die Zeit vor Ort auch nutzen, um in einem Trainingslager unsere Vorbereitung auf die Rugby Europe Championship im kommenden Jahr fortzusetzen. So eine Tour ist für die Spieler aber auch ungemein wichtig, um als Team noch näher zusammenzurücken und genau diesen Zusammenhalt benötigen wir in den entscheidenden Spielen nächstes Jahr.
Warum sind die Spiele so wichtig für den Deutschen Rugby-Verband? Man hört bereits vereinzelnd kritische Stimmen zur Brasilien-Tour, da sie viel zu teuer sei und in keinem Verhältnis zum knappen Budget steht.
Für den Deutschen Rugby-Verband ist so eine Tour von unschätzbarem Wert – nicht nur aus sportlicher, sondern auch aus sportpolitischer Sicht. Die Intention von World Rugby, beide aufstrebenden Nationen in ihrer Entwicklung zu unterstützen, war der Ursprung dieses Vergleichs. Wenn wir international professionell wahr- und ernstgenommen werden wollen, liegt es in unserer Verantwortung solche Chancen wahrzunehmen.
Bei der Tour müssen wir auch keinen großartigen finanziellen Kraftakt aufbringen. Die komplette Tour wird vom Weltverband World Rugby sowie dem Brasilianischen Rugby-Verband großzügig bezuschuss und ist somit deutlich vorteilhafter als ein Trainingslager in Deutschland.
Wie sieht nach der Tour die weitere Vorbereitung auf die Rückrunde der Rugby Europe Championship aus?
Wie erwähnt bietet uns der Europapokal die Möglichkeit mindestens vier Spiele auf hohem Niveau im November, Dezember und Januar gegen Spitzenteams aus Portugal, Rumänien, Italien und Belgien zu bestreiten – das erste Spiel sogar noch vor der Brasilien-Tour. Ähnlich des argentinischen Entwicklungsprogramms PLADAR und deren Teilnahme am Vodacom-Cup, haben wir einen Wettbewerb gesucht, angepasst auf unser Niveau, bei dem wir unter Wettkampfbedingungen Spielpraxis auf hohem Niveau erhalten können. Idealerweise wollten wir mit der Nationalmannschaft teilnehmen. Das verbieten die Regeln, was wir respektieren. Um trotzdem maximal zu profitieren, nimmt der HRK mit einen großen Kontingent an Auswahlspielern teil. Die Wild Rugby Academy unterstützt dieses Projekt mit organisatorischen und finanziellen Mitteln. Wir haben des Weiteren nur positives Feedback vom DRV und den anderen Bundesligatrainern erhalten.
Der Europapokal-Qualifier ist daher die beste Möglichkeit die Spieler zu entwickeln und auf die Rugby Europe Championship vorzubereiten. Gelingt am Ende die Qualifikation für den Challenge Cup, wäre das auch ein wichtiges Zeichen an die Öffentlichkeit, dass in Zukunft auch in Deutschland Spitzenrugby mit Weltstars geboten wird. Man muss sich nur mal die Aufmerksamkeit vorstellen, die wir mit einer Partie gegen Racing Metro und Dan Carter in Deutschland generieren könnten. Das ist aber noch Zukunftsmusik.
Der Europapokal dient also primär der Nationalmannschaft als Vorbereitung auf die Rugby-EM. Kannst du uns noch mehr Einblicke in die Stützpunktarbeit der vergangenen Monate geben?
Neben den oben genannten Maßnahmen arbeiten wir parallel daran mittelfristig Potentiale zu entwickeln und in Deutschland ausgebildete Spieler in die Nationalmannschaft zu integrieren. Hierzu haben wir einen „Players Pathway“ entwickelt, den wir 2016 implementieren wollen, d.h. Trainingsstützpunkte im gesamten Bundesgebiet aufzubauen und das nationale Trainingszentrum in Heidelberg zu eröffnen.
Bereits über die vergangenen Sommermonate hinweg haben wir unser Hauptaugenmerk deutschlandweit auf den Aufbau neuer und die Unterstützung bestehender Trainingsstützpunkte gelegt. In Heidelberg haben wir z.B. junge Talente mit in die Trainingsgruppe aufgenommen, von denen einige schon jetzt bei der U19 EM erfreuliche Leistungssteigerungen gezeigt haben. Die Arbeit in den Stützpunkten in Hannover und Berlin wurde intensiviert und neue Stützpunkte in Nordrhein-Westfalen und Bayern wurden ebenfalls gestartet, um den Spielern auch dort eine bessere Förderung zu ermöglichen. In Kooperation mit den jeweiligen Landesverbänden wollen wir mehr in diese Projekte investieren, Hürden aus dem Weg räumen und effizienter arbeiten. Das erste Produkt dieser verstärkten Förderung ist 2. Reihe Spieler Eric Marks, den die Nationaltrainer für die Tour nach Brasilien nominiert haben. Der Anfang ist gemacht, jetzt gilt es diesen Weg konsequent fortzuführen.
Wie stehst du zu den kritischen Äußerungen, die in den letzten Wochen vereinzelt über die Maßnahmen der Nationalmannschaften getätigt wurden?
Wir freuen uns immer über Input von Außen, die die Entwicklung des deutschen Rugbysports voranbringen möchten, denn nichts Anderes möchten wir mit unseren Projekten erreichen. Wir möchten mit allen Beteiligten möglichst eng zusammenarbeiten und hoffen, dass wir in Zukunft über direkten Kontakt mit interessierten Rugbyfans einen unmittelbaren Meinungsaustausch anregen können. Unsere Projekte, die inspiriert von erfolgreichen Beispielen aus größeren Rugbynationen sind, sind transparent und verfolgen das alleinige Ziel erfolgreiche Nationalmannschaften aufzubauen. Deshalb auch hier noch einmal der Aufruf: unsere Leitungen stehen allen offen, ruft uns an oder schreibt uns eine E-Mail, wenn ihr Fragen oder Anregungen habt.